Informationen zur Hyperbaren Sauerstoff (HBO) Therapie in unserer Druckkamer der Firma HYTECH.

HBO Druckkammer Soltau




Die Anwendung von Sauerstoff im Überdruck findet im deutschen Sprachraum vor allem bei Indikationen aus dem Fachgebiet der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde statt. Doch obwohl die Zahl der behandelten Patienten wie auch der entsprechenden Therapieeinrichtungen in den letzten Jahren stetig zugenommen hat, ist diese Therapieform in Deutschland alles andere als unumstritten. Im Gegenteil, nicht selten stehen sich bedingungslose Ablehnung und absolute Befürwortung unversöhnlich gegenüber. Den Befürwortern kann mitunter der Vorwurf gemacht werden, die 'I'herapie allzu kritiklos einzusetzen und die möglichen Indikationen zu weit zu fassen.
Außerdem ist es sicher richtig, wenn als Kritik gegen diese Therapiemethode der Mangel an prospektiv randomisiert durchgeführten klinischen Doppelblindstudien angeführt wird, wobei ein akzeptiertes Randomisierungsverfahren bei den meisten Indikationen sicher möglich ist. Im Gegensatz dazu ist die Durchführung einer Doppelblindstudie aber systembedingt nur sehr schwer zu realisieren und geht, ebenfalls systembedingt, mit einer gewissen Gefährdung der Patienten des Placebo-Arms einher. Bei einer echten Verblindung müßten nämlich auch die Patienten des Placebo-Arms in einer Druckkammer erhöhten Umgebungsdrücken ausgesetzt werden, wobei in diesem Fall auch unter Therapiedruckbedingungen ein Sauerstoffpartialdruck von 0,21 bar nicht überschritten werden dürfte. Ein solches Gasgemisch ist technisch zwar herzustellen, wäre aber nur im Überdruck normoxisch, bei Druckreduktion würde es hypoxisch. Zwar könnte in dieser Phase Luft geatmet werden (der systemische Fehler wäre nur sehr klein), doch käme es bei Beibehaltung der üblichen, bewährten Therapieschemata bei den Placebo-Patienten zu einer echten Gefährdung durch Dekompressionskrankheit, da ein Gemisch mit erniedrigtem Sauerstoffgehalt zwangsläufig einen vermehrten Stickstoffgehalt haben müßte, was bei den ansonsten in dieser Hinsicht als unkritisch angesehenen Therapieprofilen zu einer vermehrten Aufsättigung mit Stickstoff führte.
Seit Jahren ist daher auch unter HBO-Therapeuten die Notwendigkeit kontrollierter Studien bewußt, mitunter wird auch eine doppelte Verblindung versucht [10], für echte Doppelblindstudien ist jedoch trotz beständiger Diskussion kein machbarer und ethisch vertretbarer Lösungsansatz in Sicht.
Den Kritikern hingegen ist häufig vorzuwerfen, daß eine Ablehnung in den meisten Fällen erfolgt, ohne daß es vorher zu einer eingehenden Beschäftigung mit der Methode kam. In vielen Fällen kommt es dabei zu Verwechslungen mit alternativen Sauerstofftherapien oder gar der Anwendung von Unterdruckkammern. Auch die möglichen Komplikationen werden mitunter unreflektiert und sehr häufig falsch eingeschätzt.
Insgesamt besteht daher trotz der inzwischen weiten Verbreitung der Therapie mit Sauerstoff im Überdruck ein gewisser Aufklärungsbedarf, so daß ein solches Kapitel wie das vorliegende seine Berechtigung hat. Bei dieser Aufklärung geht es vor allem darum, die physiologischen Hintergründe der Therapie darzustellen und die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen dieser Therapieform aufzuzeigen.

Zunächst ist daher eine klare Abgrenzung zu solchen Therapieformen notwendig, die ebenfalls das Wort Sauerstoff im Namen führen, aber eindeutig der alternativen Medizin zugeordnet werden. Die Anwendung von Sauerstoff in einer Therapiedruckkammer zählt an sich schon aufgrund des klaren physiologischen Ansatzes, nicht zuletzt auch wegen des enormen technischen Aufwandes nicht zur Alternativmedizin.

Definition

Die Therapie mit Sauerstoff im Überdruck, also die"hyperbare Oxigenation" (HBO) ist definiert als eine medizinische Behandlungsforrn, bei der Patienten in einer druckfesten Umgebung (Therapie-Druckkammer) reinen Sauerstoff bei einem (im Vergleich zum normalen Luftdruck auf Meereshöhe) erhöhten Umgebungsdruck, dem jeweiligen Therapiedruck, atmen.

Sie beruht auf klaren physikalischen und physiologischen Gesetzmäßigkeiten und ist nicht zu verwechseln mit alternativen Behandlungsformen wie der Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie nach Manfred von Ardenne, der Ozon-Therapie, der intraarteriellen Sauerstoff-Insufflations-Therapie oder der hämatogenen Oxygenierungs-Therapie (HOT') [7,28,51,91].


Geschichte

Historisch betrachtet reichen die Wurzeln der heutigen Druckkammertherapie bis in das ausgehende 17. Jahrhundert zurück. Der Brite Henshaw formulierte damals die Theorie, durch einen erhöhten Umgebungsdruck unterschiedlichste Krankheiten heilen zu können. Größere Verbreitung erlangte die Überdruckbehandlung, damals noch mit Preßluft als Therapiegas, im 19. Jahrhundert. In dieser Zeit wurden in sog."Pneumatisationskammern" die unterschiedlichsten Erkrankungen, aber auch ausgesprochen obskure Indikationen behandelt, allerdings ohne jegliche wissenschaftliche Grundlage und ohne dokumentierte Erfolge [64].
Dies änderte sich erst, als bekannt wurde, daß die Symptomatik der Erkrankungen von sog. Caisson-Arbeitern und Arbeitstauchern im Rahmen von Überdruckbaustellen an Brückenfundamenten, Kaianlagen etc. unter erneuter Druckexposition rückläufig war.
In der Folge etablierte sich die Überdruckbehandlung bei diesen Indikationen als Therapie der Wahl. Nach den ersten Arbeiten zur Dekompressionsphysiologie von Haldane zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Einsatz von Druckkammern und die Behandlung von verunglückten Tauchern nach dem 1. Weltkrieg zum Goldstandard der Therapie. Schon in den 20er Jahren wurde die Forderung nach Sauerstoff als Therapiegas zur Verbesserung der physiologischen Ansätze formuliert, fand aber nur im militärischen Bereich theoretische Anwendung.

Die konsequente Umsetzung der Überdruckbehandlung unter Anwendung von Sauerstoff als medizinische Therapie gelang erst Ende der 50er Jahre durch Churchill-Davidson und Boerema. Schon seit 1954 experimentierte Boerema mit der hyperbaren Therapie, insbesondere unter der Fragestellung, ob es möglich wäre, bei Sauerstoffatmung unter erhöhtem Umgebungsdruck die Kreislaufstillstandzeiten in der Herz-Thorax-Chirurgie zu verlängern. Diese Arbeiten gipfelten in einem Tierversuch, in dem es gelang zu zeigen, daß die Menge des physikalisch im Plasma gelösten Sauerstoffs auch in Abwesenheit des Hämoglobins unter hyperbaren Bedingungen zum Leben ausreicht [8].
Neben der mittlerweile etablierten und allgemein anerkannten Indikation Tauchunfall wurde in der Folgezeit die HBO insbesondere zur Behandlung von Gasbrand-Infektionen, Kohlenmonoxid-Intoxikationen und in der Herzchirurgie eingesetzt. Die weitere medizinische Entwicklung (extrakorporale Zirkulation in der Herzchirurgie, leistungsfähigere Antibiotika in der Behandlung bakterieller Infektionen), aber auch der technische Fortschritt (massiver Rückgang der Zahl von Kohlenmonoxid-Intoxikationen seit den 70er Jahren in Deutschland) führte zu einem rückläufigen Interesse an dieser Therapieform. Dieser Trend kehrte sich erst Ende der 80er Jahre wieder um, in den anglo-amerikanischen Ländern vor allem wegen der mittlerweile gewonnen Erkenntnisse zur Physiologie und Pathophysiologie der Wundheilung, in Deutschland vor allem wegen der Studien zur Pathophysiologie der Funktionsstörungen des Innenohres.

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Durchführung der Therapie

Der therapeutische Ansatz enthält zwei wesentliche Einzelkomponenten, die nur in der Kombination zu den nachfolgend beschriebenen Effekten führen, nämlich Druck und Sauerstoff [7, 28, 51, 91]. Um eine Erhöhung des Umgebungsdruckes zu erreichen, ist ein entsprechend großer druckfester Behälter zwingende Voraussetzung.
Für die Durchführung der hyperbaren Oxigenation stehen daher grundsätzlich zwei verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung.

· Es handelt sich hierbei zum einen um sog. Ein-Personen-Kammern, bei denen, dem Namen entsprechend, Einzelbehandlungen stattfinden. Dabei wird das gesamte Kammervolumen mit Sauerstoff befüllt und die Druckerhöhung ebenfalls mit Sauerstoff durchgeführt.
· Im Gegensatz dazu erfolgt die Druckerhöhung bei den sog. Mehrplatz-Kammern mit Druckluft, so daß während der Therapie die Kammeratmosphäre ebenfalls aus komprimierter Luft besteht. Die Patienten atmen hier Sauerstoff unter hyperbaren Bedingungen aus Atemstellen mit einem jeweils zuführenden und abfahrenden Schenkel. Diese Maßnahme dient vor allem dem Brandschutz und soll erhöhte Sauerstoffkonzentrationen in der Kammeratmosphäre verhindern. Im Regelfall wird an den Atemstellen der Sauerstoff über Atemmasken, die Mund und Nase umschließen, geatmet. Es stehen grundsätzlich jedoch weitere Möglichkeiten der Sauerstoffapplikation zur Verfügung.
· Bei Patienten, denen die Benutzung einer Atemmaske unmöglich ist, kann daher ein sog. Kopfzelt Anwendung finden. Es handelt sich hierbei um eine mit Atemanschlüssen versehene Kunststoffhaube, die über den Kopf gestülpt und mit Hilfe einer Latexmanschette zum Hals hin abgedichtet wird.
. Bei Patienten mit Tracheostoma kann ein Anschluß an die Atemstelle mit Hilfe eines gewöhnlichen T-Stücks erfolgen.
· Für intubierte, beatmete Patienten stehen hvperbartaugliche Beatmungsgeräte zur Verfügung.


Therapieprofile
In Deutschland sind Mehrplatzkammern mit Abstand am weitesten verbreitet. Die für Mehrplatzkammern gebräuchlichen Therapieprofile sehen je nach Indikation einen Therapiedruck zwischen 2,4 und 3 bar und entsprechend eine Expositionszeit zwischen 95 und 285 Minuten vor. Die für die HNO-Heilkunde gebräuchlichsten Therapieprofile sind das sog. Problemwundenschema mit einem Therapiedruck von 2,4 bar absolut und einer Gesamtexpositionszeit von 135 Minuten, sowie das bei den Funktionsstörungen des Innenohres angewandte Schema von 2,5 bar absolut über insgesamt 95 Minuten, entsprechend den Empfehlungen der nationalen Fachgesellschaft GTÜM e.V. (Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin) [29].


Als HNO-ärzlicher Sonderfall wird bei Dekompressionsunfällen mit Innenohrbeteiligung als Therapieprofil die sog. Tabelle 6 nach US Navy durchgeführt, die einen Therapiedruck von 2,8 bar absolut und eine Gesamtzeit von 285 Minuten vorsieht.


5
Physikalische Grundlagen der HBO-Therapie

Die hyperbare Sauerstofftherapie verwendet als physikalisches Hilfsmittel eine Erhöhung des Umgebungsdrucks, die nur bei den Indikationen Dekompressionserkrankung und arterielle Gasembolie auch als eigenständige therapeutische Komponente wirkt. Die wichtigsten Auswirkungen des erhöhten Umgebungsdrucks lassen sich mit drei physikalischen Gesetzen beschreiben [21]:
- Gesetz von Boyle und Mariotte:
Es besagt, daß sich das Volumen flexibel abgeschlossener Gasräume umgekehrt proportional zum Druck verhält. In Anwendung dieses Gesetzes kommt es also bei der Applikation von Überdruck zur mechanischen Kompression gasgefüllter und nicht starrwandig umschlossener Hohlräume.
Hiervon sind sowohl anatomisch vorgegebene, als auch künstliche gasgefüllte Hohlräume im Körper (z. B. Nasennebenhöhlen, Lunge etc. aber auch z. B. Cuffmanschetten von Beatmungstuben) betroffen, ebenso wie Gasblasen gleich welcher Genese im Gewebe bzw. im Gefäßsystem.

Dieses Gesetz erklärt damit z. B. auch die Verkleinerung des Volumens von Gasblasen nach arterieller Gasembolie oder der sog. Dekompressionskrankheit von Tauchern (s. unten) während einer Rekompressionstherapie.

o Gesetz von Dalton:
Als weiterer Effekt der Erhöhung des Umgebungsdrucks kommt es zu einer analogen Partialdruckerhöhung der Atemgase. Nach dem Gesetz von Dalton setzt sich der Gesamtdruck eines Gasgemisches (z.B. Luft) aus den Partialdrücken seiner Komponenten zusammen. Dies hat zur Folge, daß unter hyperbaren Bedingungen schon bei Luftatmung der Sauerstoffpartialdruck in der Inspirationsluft steigt. Bei Atmung von 100% Sauerstoff im Inspirationsgas steigt der Sauerstoffpartialdruck entsprechend proportional zur Gesamtdruckerhöhung und entspricht somit dem einwirkenden Umgebungsdruck.

o Gesetz von Henry:
Das Gesetz von Henry beschreibt die Lösung von Gasen in Flüssigkeiten in Abhängigkeit vom einwirkenden Außendruck, wobei mit ansteigendem Umgebungsdruck entsprechend mehr Gas in Flüssigkeiten, wie z.B. dem Blut oder der interstitiellen bzw. intrazellulären Gewebsflüssigkeit, gelöst wird. Dies wird durch das Gesetz von Henry folgendermaßen formuliert: bei konstanter Temperatur ist die in einer Flüssigkeit gelöste Gasmenge direkt proportional zu dem Partialdruck des Gases und abhängig vom Lösungskoeffizienten des Gases für die jeweilige Flüssigkeit. Dies hat zur Folge, daß bei einer Steigerung des Sauerstoffpartialdrucks im Atemgas proportional auch die im Blut physikalisch gelöste Sauerstoffinenge steigt.


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Physiologische Grundlagen der HBO-Therapie

Sauerstoffaufnahme und Sauerstofftransport

Unter normobaren Bedingungen und bei der Atmung von Luft wird der überwiegende Anteil des vom Körper aufgenommenen Sauerstoffs Hämoglobingebunden von der Lunge aus weiter transportiert. Eine geringe Sauerstoffmenge wird aber bereits unter normobaren Bedingungen physikalisch im Blut gelöst. Dieser Anteil ist jedoch so gering, daß er häufig bei Berechnungen zum Sauerstoffgehalt des Blutes vernachlässigt wird.

Die Gesamttransportkapazität des Blutes für Sauerstoff beträgt unter normobaren Bedingungen ca. 200 ml 0_/l Blut. Diese Menge errechnet sich aus der folgenden Formel [69]:

CaO_ = (SaO_ x [Hb] x 1,34) + 3

In dieser Formel bezeichnet Ca0_ den arteriellen Sauerstoffgehalt, der sich aus der rechten Seite der Formel errechnet.SaO_ beschreibt die arterielle Sättigung des Hämoglobins mit Sauerstoff, die bei Lungengesunden und normobarer Atmung von Luft ca. 97-98% (als Fraktion von max. 1,0 in die Formel einzusetzen, also z.B. 0,97 für 97%) beträgt. Für [Hb] wird die Hämoglobinkonzentration des Blutes in Gramm pro Liter eingesetzt und 1,34 ist die Hüfner-Zahl, also die Sauerstoffmenge in ml, die 1 g Hämoglobin zu binden vermag. Die zum Schluß addierte Menge von 3 ml 0_/l Blut wird unter normobarer Luftatmung im Plasma physikalisch gelöst (s. oben).

Damit wird ersichtlich, daß unter Normalbedingungen nur 1,5 % des gesamten Sauerstofftransports über die physikalische Lösung möglich ist, denn die Transportkapazität bei einem Hämoglobingehalt von 150 g/l errechnet sich auf 200 ml 0_/l Blut.

Die Sauerstoffaufnahme wird um so größer, je höher der Sauerstoffpartialdruck in den Alveolen ist. Bei Erhöhung des Umgebungsdruckes, wie dies bei der Therapie in einer Überdruckkammer geschieht, läßt sich dementsprechend in Anwendung des Dalton-Gesetzes der jeweils theoretische Sauerstoffpartialdruck errechnen. Unter den Bedingungen der hyperbaren Oxigenation wird ein massiver Anstieg auf ca. 1800-1900 mmHg erreicht [21, 72]. Nach dem Gesetz von Henry, das neben dem Löslichkeitskoeffizienten insbesondere den Gaspartialdruck berücksichtigt, wird Sauerstoff dabei vermehrt physikalisch im Plasma gelöst. Hämoglobin, das wie erwähnt bei Lungengesunden schon unter normobarer Luftatmung zu 97-98% mit Sauerstoff gesättigt ist, wird schon bei Atmung von reinem Sauerstoff unter normobaren Bedingungen zu 100% gesättigt. Jede weitere Erhöhung der Transportkapazität des Blutes für Sauerstoff ist darüber hinaus nur durch Erhöhung des physikalisch gelösten Anteils möglich [21, 69,72].


Mengenmäßig entspricht die physikalisch gelöste Sauerstoffmenge während einer üblichen HBO-Therapie etwa 6o bis 70 ml/1 Blut und übersteigt damit den Bedarf des Körpers, denn die arterio-venöse Sauerstoffgehaltsdifferenz (avD0_) beträgt etwa 45 ml/1 Blut.


Unter den Bedingungen der hyperbaren Oxigenation übersteigt also die Menge physikalisch gelösten Sauerstoffs die arteriovenöse Sauerstoffdifferenz (avD0_) des Gewebes. Hieraus folgt, daß der an das Hämoglobin gebundene Anteil nicht utilisiert wird und auch auf der venösen eine Hb-Sättigung von 100% erhalten bleibt.


Sauerstofftransport im Bereich der Mikrozirkulation

Die Sauerstoffversorgung der Gewebe erfolgt zunächst über Konvektion, in der Endstrecke aber vor allem über Diffusion aus den Kapillargefäßen [17], wobei die Diffusionsstrecke für den Sauerstoff limitiert ist und in Anwendung der Fick-Diffusionsgesetze durch den Partialdruckgradienten von der Kapillare zum Gewebe wesentlich mitbestimmt wird [21]. Im Idealfall ist die jeweilige Kapillardichte dem Bedarf entsprechend so angelegt, daß eine ausreichende Versorgung aller Teile des entsprechenden Gewebes gewährleistet ist [45]. Bei einer Kapillar-Rarefizierung in einem bestimmten Versorgungsgebiet, z.B. durch thermische oder mechanische Schädigungen, mikroangiopathische Veränderungen, Bestrahlung, etc. oder durch Ödeme, werden die Diffusionsbedingungen für Sauerstoff und damit die Voraussetzungen zur Versorgung der Zellen beeinträchtigt, so daß eine Gewebshypoxie mit entsprechend anaerobem Stoffwechsel die Folge ist [78].

Bei einer Erhöhung des Sauerstoffpartialdrucks während der HBO-Therapie verlängert sich die Diffusionsstrecke deutlich bis zum Vierfachen der Strecke während einer normobaren Luftatmung, was letztendlich bedeutet, daß Sauerstoff weiter von der Kapillare entfernt gelegene Bereiche erreicht und damit z. B. eine Kapillarrarefizierung oder eine ödembedingte Schwellung kompensieren kann [72, 91].

6.1
Physiologische Effekte von erhöhten Sauerstoff partialdrücken

Die in diesem Abschnitt dargestellten physiologischen Effekte sind im Tierversuch und in Zellkulturen unstrittig nachgewiesen und entsprechend publiziert. Die Schwierigkeit bei der endgültigen Evaluierung der Methode besteht darin, daß es nicht im gleichen Maße unanfechtbare klinische Studien gibt, die die Effizienz in der klinischen Anwendung im gleichen Maße nachweisen. Die im folgenden dargestellten Effekte sollen daher das Verständnis der Therapierationnale bei den aktuell behandelten Indikationen ermöglichen, bei der klinischen Anwendung besteht im Einzelfall weiterhin Bedarf an entsprechenden Studien.

Effekte von HBO auf die Vasomotorik und die Blutverteilung

Erhöhte Sauerstoffpartialdrücke bewirken in hyperoxischen Geweben und Organen eine Reduzierung des Blutflusses [33,70]. Dieser Effekt des Sauerstoffs beruht auf einem autoregulatorischen Effekt, da erhöhte Sauerstoffpartialdrücke im Gewebe eine Luxusversorgung darstellen, auf die eine reaktive Vasokonstriktion folgt. Diese Vasokonstriktion jedoch hat unter HBO-Bedingungen keinen wesentlichen Abfall des Sauerstoffpartialdruckes im Gewebe zur Folge, weil auch bei vasokonstriktiv bedingtem Verschluß von Kapillarstromgebieten die Diffusionsstrecke des hyperbar angebotenen Sauerstoffs entsprechend vergrößert ist. Es resultiert jedoch in Organen mit erhaltener Fähigkeit zur Autoregulation ein abschwellender Effekt, so daß eine Ödemreduktion erzielt wird [70, 99]. Dieser Effekt läßt sich therapeutisch nutzen z. B. bei

· postischämischen Ödemen im Rahmen von Crush-Verletzungen,

· Kompartmentsyndrom oder

· bei gefährdeten Transplantaten [10, 88].

Bei hypoxischen Geweben findet der oben beschriebene Regulationsvorgang nicht statt, d.h. mangelversorgtes Gewebe reagiert nicht im gleichen Maße mit einer Vasokonstriktion. Dies bedeutet, daß es in gewissem Maße zu einer Blutumverteilung in die mangelversorgten Gewebe als "inversem Steal-Effekt" kommt, und daß sich dadurch die Versorgungssituation dieser Gewebe verbessert [11].
Ein weiterer Effekt besteht aus der Minimierung von Reperfusionsschäden in ehemals ischämischen Arealen. Neben der bereits erwähnten Ödemreduktion in solchen Bezirken kommt es durch erhöhte Sauerstoffpartialdrücke zu einem gewissen Schutz der Mikrozirkulation durch eine Reduktion der Leukozytenadhärenz auf der abfließenden Seite. Dieser Schutz vor Reperfusionsschäden ist nach derzeitigem Kenntnisstand jedoch nur dann gegeben, wenn die HBO Therapie in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Reperfusion stattfindet, d.h. unmittelbar vor oder innerhalb einer sehr kurzen Zeit nach Freigabe der Strombahn [43].

Wirkung von HBO auf die Angioneogenese und Wundheilung

Die Heilung von Wunden geht mit komplexen Abläufen einher, an denen zahlreiche Zellsysteme und Mediatoren beteiligt sind [35]. Entscheidend für diese Abläufe ist das Milieu in der Umgebung der Wunde. So kann dieser Bereich modellhaft in zwei Kompartimente unterteilt werden: den eigentlichen Wundraum, der hypoxisch, azidotisch, hypoglykämisch, hyperkapnisch, hyperkaliämisch ist und eine hohe Laktatkonzentration aufweist sowie den gut vaskularisierten, in Folge inflammatorischer Prozesse hyperämisierten Wundbereich, von dem aus die Reparaturvorgänge einsetzen. Diese Unterschiede im lokalen Milieu sind von großer Bedeutung für die normale Wundheilung, da sowohl eine gewisse Wundhypoxie, als auch hohe Laktatkonzentrationen in der Wunde wesentliche Triggerfaktoren darstellen [35, 37, 67]. Die Migration der für die Wundheilung notwendigen Zellpopulationen erfolgt entlang der Konzentrationsgradienten zwischen Wundrand und Wundraum. Auf dem gleichen Prinzip beruht auch die gerichtete Gefäßneuaussprossung [68].
Ist neben einer hohen Laktatkonzentration auch eine initiale Wundhypoxie als Triggermechanismus von Bedeutung, so ist für den geregelten Ablauf eines Teils der beschriebenen Prozesse jedoch Sauerstoff essentiell nötig.
So benötigen die meisten an der Wundheilung beteiligten Zelltypen ein Mindestmaß an Sauerstoff für Aufrechterhaltung des Zellstoffwechsels, Proliferation und Freisetzung von Wachstumsfaktoren und Zytokinen. Daher finden sich in ausgeprägt hypoxischen Wundbezirken kaum Zellteilungen [67,96]. Auch die Kollagensynthese durch Fibroblasten ist sauerstoffabhängig, denn die Aminosäure Prolin im Kollagenmolekül wird sauerstoffabhängig hydroxyliert, ein Syntheseschritt, der als limitierend für die extrazelluläre Kollagenablage angesehen wird. Darüber hinaus ist Sauerstoff wichtig für die Quervernetzung der Kollagenketten untereinander und damit für die Endfestigkeit des Ersatzgewebes, denn der für diesen Syntheseschritt zuständigen Lysin-Hydroxylase dient molekularer Sauerstoff als Substrat [35, 77, 84]. Dies wird durch die Beobachtung bestätigt, daß unter systemischen Hypoxiebedingungen die Heilungsrate vermindert ist. Neuere Ergebnisse zeigen außerdem, daß die Fibroblasten-Proliferation mit hyperbarem Sauerstoff dosisabhängig stimulierbar ist [32].

Eine adäquate Sauerstoffversorgung führt daher zu einer vermehrten Kollagenproduktion, verbesserter Quervernetzung und zu einer erhöhten Syntheserate der an der Wundheilung beteiligten Zellen, die ihren Ausdruck in einem Anstieg des RNA/DNA Quotienten findet [92]. Die Menge Kollagen in einer heilenden Wunde, aber auch die Vernetzungsrate des Kollagens, korreliert also in gewissen physiologischen Bereichen direkt mit dem Gewebs-Sauerstoffpartialdruck.

Neueste Untersuchungen diskutieren einen Effekt von erhöhten Sauerstoffwerten auf die Wundheilung über die reine Hypoxiebeseitigung hinaus. So konnte im Tierexperiment selbst eine normale Wundheilung im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant beschleunigt werden [65]. Die Erklärung hierfür liegt vermutlich in einer nachgewiesenen Erhöhung der Anzahl Wachsttimsfaktor-spezifischer Rezeptoren in den an der Wundheilung beteiligten Zellen sowie an der induzierten Produktion bestimmter Wachstumsfaktoren [9, 50].

Beim Erwachsenen bildet die chronische Hypoxie einen wesentlichen Stimulus für eine Angioneogenese. Um die Kapillardichte im Gewebe zu erhöhen, ist jedoch andererseits ein steiler Sauerstoffgradient nötig. Wie weiter oben bereits beschrieben, geht die Angioneogenese vom gut oxigenierten Wundrand mit niedrigen Laktatwerten aus. Die Gefäßaussprossung erfolgt entlang des Gradienten in Richtung auf das hypoxische, mit hohen Laktatwerten belastete Wundgebiet. Obwohl einige Angioneogenesefaktoren besonders durch niedrige Sauerstoffspannung getriggert werden, findet die stärkste Antwort auf diesen Proliferationsreiz jedoch in hyperoxischen Venolen des Wundrandes statt.

Der Grund für diesen Umstand ist unklar, es scheint jedoch so zu sein, daß ein hoher Sauerstoffpartialdruck die Antwort auf Faktoren, die eine Angioneogenese provozieren, verstärken kann.

Wird letztlich das Sauerstoffangebot erhöht und über diesen Mechanismus eine Gewebsmatrix geschaffen, kann auch die Kapillardichte zunehmen [44]. Im hypoxischen Knochen werden durch eine HBO-Therapie sowohl die Osteoklasten als auch die Osteoblasten aktiviert, d. h. bei hypoxiebedingten Problemen im Bereich des Knochengewebes wird sowohl nekrotisches Material durch eine verstärkte Osteoklastentätigkeit vermehrt abgebaut, als auch der Knochenaufbau durch eine sauerstoffinduzierte Osteoblastenaktivierung verbessert. Bei freien Knochentransplantaten wurde eine raschere Einheilung beschrieben [24, 83].

Effekte von HBO auf das Immunsystem und auf Bakterien

Hyperbarer Sauerstoff beeinflußt das Immunsystem, und zwar in mehreren Richtungen. In der Literatur wird über positive Effekte der HBO-Therapie bei inflammatorischen Wundheilungsstörungen berichtet, andererseits gibt es Untersuchungen, die über eine gewisse Immunsuppression durch hyperbaren Sauerstoff berichten.

Eine immunsupprimierende Wirkung von hyperbarem Sauerstoff wird z. B. aus der Erkenntnis postuliert, daß durch erhöhte Sauerstoffpartialdrücke sowohl die Funktion als auch die Anzahl von Lymphozyten beeinträchtigt [22] werde. Andererseits ist eben diese Beeinträchtigung der Funktion bestimmter Leukozyten-Subpopulationen von großer Bedeutung bei der Minimierung von Reperfusionsschäden [99]. Außerdem ist die Phagozytosetätigkeit von Granulozyten sauerstoffabhängig. In kompromittierten hypoxischen Geweben kommt es daher zu verminderter Phagozytosetätigkeit und so zu einer reduzierten Infektionsabwehr [61]. Durch Aufhebung der Hypoxie wird hingegen die Phagozytose durch Granulozyten angeregt und es kommt zu signifikanter Reduktion von Nekrosezonen [67,78].
Naturgemäß bilden Anaerobierinfektionen oder Infektionen mit aerob/anaerober Mischflora eine Indikation für die HBO-Therapie, da eine direkte bakterizide Wirkung auf solche Erreger erzielt wird. Die bakterizide Wirkung gegenüber gasbildenden Clostridien (Clostridium perfringens u.a.) ist gut belegt [40, 95]. Darüber hinaus wird die Produktion des von diesen Erregern gebildeten a-Toxins durch die HBO-Therapie unterdrückt. Neben der beschriebenen bakteriziden Wirkung ist eine bakteriostatische Wirkung für Escherichia coli-, Staphylokokken- und Pseudomonasstämme bekannt [71].

Wirkungen von hyperbarem Sauerstoff bei CO-Intoxikationen

Diese Wirkung hyperbarer Oxigenation sei hier nur der Vollständigkeit halber kurz erwähnt. Kohlenmonoxid hat eine sehr viel höhere Bindungsaffinität zu Hämoglobin als Sauerstoff, so daß es unter normobaren Bedingungen zu einer kompetetiven Verdrängung von Sauerstoff vom Hämoglobin kommt. Die Folge ist eine Blockade des Hämoglobins für den Sauerstofftransport zu den Zellen. Auf die gleiche Weise kommt es zu intrazellulären Schäden durch eine Blockade der Hämoproteine der Atmungskette.

Umgekehrt gelingt es, durch eine extreme Erhöhung des Sauerstoffangebotes das CO über denselben kompetetiven Mechanismus von den Sauerstoffbindungsstellen zu verdrängen und so eine wesentlich raschere Elimination zu erreichen. Zudem reicht, wie zuvor dargestellt, der physikalisch gelöste Anteil an Sauerstoff unter hyperbaren Bedingungen zur Gewebsversorgung aus [90].

7
Indikationen

Grundsätzlich ergeben sich die mit hyperbarem Sauerstoff behandelten Indikationen aus den physiologischen und pathophysiologischen Grundlagen. Während die hyperbare Oxigenation in zahlreichen Ländern zu einem für bestimmte Indikationen anerkannten therapeutischen Verfahren in der Klinik herangewachsen ist, genießt sie in Deutschland häufig noch immer den Ruf einer Außenseitermethode. Seit Anfang der 90er Jahre ist jedoch eine stetige Zunahme der Zahl der hyperbaren Therapieeinrichtungen zu verzeichnen. Darüber hinaus steigt seit Mitte der 90er Jahre auch wieder das Interesse an wissenschaftlichen Fragestellungen in diesem Bereich.
Die Undersea and Hyperbaric Medical Society (UHMS), eine internationale Fachgesellschaft für Überdruck- und Tauchmedizin mit Sitz in den USA, hat über einen interdisziplinären Fachausschuß für hyperbare Oxigenation eine Zusammenstellung derjenigen Krankheitsbilder veröffentlicht, für die sich die HBO als nützlich erwiesen hat oder bei denen es zumindest eine klare theoretische Grundlage für die Anwendung der HBO gibt. Dieses Verzeichnis wird regelmäßig dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand angepaßt und in revidierten Auflage neu herausgegeben.
Das aktuelle Verzeichnis aus dem Jahre 1999 [94] listet die in Tabelle 1 angegebenen Krankheitsbilder auf, bei denen die hyperbare Oxigenation entweder die primär entscheidende Behandlungsform darstellt, während andere Maßnahmen nur unterstützenden Charakter haben, oder bei denen sich die hyperbare Oxigenation als wichtige Komponente gemeinsam mit weiteren Therapieverfahren bewährt hat. In Europa wurde der von der UHMS herausgegeben Liste noch die akute Perzeptionsstörung des Innenohres hinzugefügt.


HBO bei lebensbedrohlichen HBO als adjuvante Maßnahme
Erkrankungen

Arterielle Gasembolie Ausgedehnter Weichteilschaden mit
drohendem Gewebsuntergang

Dekompressionsunfall/-erkrankung Therapierefraktäre Wunde mit Gewebshypoxie

CO- und Rauchgasvergiftungen Gefährdetes Haut- u./o. muskuloskelet.
Transplantat

Gasbrand Verbrennung/Verbrennungskrankheit

Nekrotisierende Weichteilinfektionen Prävention und Therapie einer Osteoradio-
nichtklostridialer Genese nekrose oder Weichteilradionekrose
Therapierefraktäre Osteitis
Intrakranielle Abszesse
Lebensbedrohlicher Blutverlust


7.1
Indikationen in der HNO-Heilkunde

Aus dem Fachbereich der HNO-Heilkunde werden eine ganze Reihe von Indikationen mit hyperbarem Sauerstoff behandelt. Am bekanntesten und in Deutschland wohl auch am häufigsten sind die akuten Funktionsstörungen des Innenohres mit und ohne Tinnitus. Als seltenere Indikationen sind noch die Dekompressionserkrankung des Innenohres nach Druckexposition (Tauchen, Druckluftbaustellen) und die Otitis externa maligna zu nennen.
In Deutschland wenig bekannt ist aber, daß es auch im Bereich der operativen HNO-Heilkunde Indikationen für eine adjuvante HBO-Therapie gibt (Tabelle 2).

Akute Funktionsstörungen des Innenohres mit und ohne Tinnitus

Zur Bewertung dieser Indikation im Hinblick auf HBO-Therapie ist hier sicher noch die weitere Unterscheidung erforderlich. Insgesamt ist jedoch zu bemerken, daß zumindest für den Hörsturz und besonders auch für den isolierten Tinnitus die eigentliche Ursache und die zugrundeliegenden Pathomechanismen nicht geklärt sind. Daher fällt es auch schwer, die bei diesen Erkrankungen angewendeten therapeutischen Maßnahmen als spezifisch anzusehen. Dennoch folgen alle Therapieansätze des akuten Stadiums mehr oder weniger gleichen hypothetischen Grundlagen, nämlich der Beseitigung einer Versorgungsstörung des Innenohres. Der therapeutische Ansatz ist daher bei der HBO-Therapie der selbe, wie bei der allgemein akzeptierten Infusionstherapie.



Tabelle 2. HBO-Indikationen irn Fachgebiet der HNO-Heilkunde

Akute Perzeptionsstörungen des Innenohres mit und ohne Tinnitus
Dekompressionstrauma des Innenohres

Otitis externa necroticans ("maligna") und therapierefraktäre Osteomyelitiden des Schädels

Gefährdete Knochen- und Weichteiltransplantate bei plastischen Eingriffen und
osteointegrierte Implantate in vorbestrahlten Arealen

Osteoradionekrose, Chondroradionekrosen
Wundheilungsstörungen nach Radiatio




Beim akuten Lärm- oder Knalltrauma, also unter und nach Lärm- und Knallbelastung kann ein erheblichen Abfall des Sauerstoffpartialdruckes in der Perilymphe und zugleich ein Abfall der Funktionsparameter [46,47] gemessen werden.
Histopathologisch sind nach akustischem Trauma mechanische Insulte am Corti-Organ in den basalen 1,5 Windungen an den äußeren Haarzellen und den Deiter-Stützzellen, später auch an inneren Haarzellen, Einrisse in der Basilarmembran, Atrophie der Stria vascularis und weitere Schäden beschrieben. [6,53, 8o, 87]. In einer Übergangsphase entscheidet sich der Verlauf zwischen Regeneration und Zelltod [2].

Nach Beck [3] reagieren u.a, die Stria vascularis und die Zellen des Corti-Organs einförmig auf die unterschiedlichen Schädigungen. Ein reaktives Ödem soll bis zum Verschluß der funktionellen Endgefäße führen und letztlich die Mikrozirkulation blockieren. Es wird daher angenommen, daß Sauerstofftnangel in der Cochlea den Funktionsstoffwechsel zumindest so behindert, daß es zum Hörverlust kommt. Er wird letztendlich, unabhängig von der Art der Noxe, als Endursache für den Hörverlust gesehen [1, 98].
Histologisch wurden u.a. Veränderungen der Mitochondrien und des Zytoskeletts, Ablösung der Haarzellen von der Tektorialmembran [93], Schwellung und Strukturveränderung der Nervenfaserenden beobachtet [73]. Positive Behandlungsergebnisse zeigen aber, daß ein irreversibler Zelluntergang nicht zwingend ist.
Beim Hörsturz ist der zugrundeliegende Pathoinechanismus noch nicht endgültig und zweifelsfrei geklärt. Als mögliche Ursachen für einen Hörsturz kommen eine große Zahl ätiopathogenetischer Faktoren in Frage [34, 52]. Da aber, wie oben bereits erwähnt, nach Beck u. a. die Stria vascularis und die Zellen des Corti-Organs auf die unterschiedlichen Noxen in immer gleicher Weise zu reagieren scheinen, wird ein ähnlicher Schädigungsmechanismus wie beim Knalltrauma angenommen.

Diese Vorgänge werden auch für die Entstehung des den Hörverlust begleitenden Tinnitus als verantwortlich diskutiert, wobei letzterer insbesondere dann, wenn er einseitig auftritt, als hörsturzäquivalente Innenohrfuntktionsstörung angesehen wird [4].


Weil beim Hörsturz in den meisten Fällen in letzter Konsequenz eine zu geringe Versorgung der Hörsinneszellen mit Sauerstoff angenommen wird [49], gleichzeitig die pathophysiologische Ursache des Hörsturzes im individuellen Einzelfall meist nicht bekannt ist, ist das prioritäre Ziel der Behandlung dieses Krankheitsbildes unter pathophysiologischen Gesichtspunkten z.Zt. die Durchblutung und den Stoffwechsel des Innenohres zu verbessern und dadurch das Sauerstoffangebot für die Sinneszellen zu normalisieren. Klinisch bedeutet dies den Versuch einer Wiederherstellung des Hörvermögens, eine Beseitigung der Ohrgeräusche, die nicht selten im Vordergrund der Beschwerden stehen sowie eine Normalisierung der vestibulären Funktion, sofern gleichzeitig Schwindel vorhanden ist.


7.1.1
Spezifische Effekte der HBO-Therapie bei Funktionsstörungen des lnnenohres

Unter der Annahme, daß die pathophysiologischen Zusammenhänge wie oben dargestellt richtig sind, hat die HBO-Therapie bei der Behandlung dieser Störungen durchaus eine Rationale. Tierexperimentell wurde nämlich nachgewiesen, daß unter den Bedingungen der HBO der Sauerstoffpartialdruck in der gesunden Cochlea auf bis zu 46o% des Normalwertes ansteigt und noch 1 Std. nach Therapieende um 6o % über dem Ausgangswert liegt [46, 47] (Abb. 5). Dieser Effekt ist beliebig reproduzierbar und unzweifelhaft. Er ist auch verständlich, da die Sauerstoffversorgung des Innenohres im wesentlichen per diffusionem erfolgt und durch Anwendung von HBO ein enormer Diffusionsgradient geschaffen werden kann. Aus dieser Sauerstoffpartialdruckerhöhung in der Cochlea und speziell im Bereich Peri- und Endolymphe werden nun die eigentlichen Effekte abgeleitet, nämlich eine Beeinflussung der metabolisch gestörten Hörsinneszellen.
Ein Teil dieser HBO-Effekte ist tatsächlich durch eine Steigerung der Innenohrfunktion und Steigerung der Erholungsgeschwindigkeit nach Schallschäden gemessen an den Mikrophonpotentialen und den Nervenaktionssummenpotentialen [46] nachweisbar. Die gesteigerte Innenohrfunktion ist denn auch die wahrscheinlichste Ursache für das sehr häufig beschriebene Phänomen, daß betroffenen Patienten unmittelbar nach einer Druckkarnmerbehandlung das eigene Tinnitusgeräusch für kurze Zeit subjektiv lauter vorkommt.

Weniger eindeutig ist hingegen, ob es durch die genannten Effekte tatsächlich zum gewünschten Therapieerfolg kommen kann. Unstrittig ist eigentlich nur, daß die chronische Perzeptionsstörung des Innenohres definitiv keine Indikation zur Druckkammerbehandlung darstellt [56]. Im Bereich der akuten Störungen ist eine klare Aussage hingegen schwieriger, denn obwohl es derzeit eine Vielzahl von Studien gibt, die für eine Wirksamkeit dieser Therapiemethode sprechen, gibt es nur wenige kontrollierte randomisierte Studien zu diesem Thema, und keine, die die Wirksamkeit zweifelsfrei belegt [14], wie es übrigens ja auch bei den anderen, als etabliert angesehenen Akutmaßnahmen der Fall ist.

Aufgrund der Datenlage ist daher z. Zt. zu fordern, daß bei einem akuten Knalltrauma möglichst rasch an die zusätzliche Möglichkeit der HBO-Therapie gedacht wird, evtl. sogar begleitend zur Infusionstherapie. Einige klinische prospektive kontrollierte Studien werten die verschiedenen Aspekte der HBO-Anwendung bei Knalltraumata vor allem im Vergleich zu der sonst üblichen rheologischen Infusionstherapie an zusammengefaßt 1400 Patienten aus. Im Gegensatz zu den übrigen Innenohrfunktionsstörungen zeigen Knalltraumata demnach unter HBO Behandlung zwar bessere Ergebnisse als bei alleiniger Infusionsbehandlung, die Kombination von HBO mit Infusionstherapie erwies sich jedoch als noch besser.
Wie auch beim Hörsturz mit Tinnitus reagiert der durch Knall- oder Lärmtraumata hervorgerufene Hörverlust weniger gut auf die Kombinationsbehandlung als der Tinnitus [15, 16, 73, 74].
Der Behandlungsbeginn sollte möglichst wenig mit sonstigen Therapieversuchen verzögert werden. DeHeyn et al. [15] finden schon nach 10 Tagen deutlich schlechtere Ergebnisse. Pilgramm [76] fordert den Therapiebeginn umgehend nach längstens 48 Stunden, also nach nur kurzer Latenz, um eine eventuelle spontane Erholung ggf. abzuwarten.
Beim akuten Hörsturz kann u.U. im zeitnahen Anschluß an eine durchgeführte Infusionstberapie mit nicht ausreichenden Therapieerfolgen in 20 bis 30% der Fälle mit Hilfe der HBO-Therapie eine weitere Besserung erreicht werden [14,39], weshalb diese möglichst rasch nach Ende der konventionellen Bemühungen bei nicht hinreichendem Therapieerfolg in Erwägung gezogen werden sollte.

Hier ist allerdings zu beachten, daß die Therapiechancen schon nach 4 bis 6 Wochen deutlich reduziert sind und eine HBO-Therapie nach Ablauf von 3 Monaten nicht mehr empfohlen werden kann. Und schließlich sind beim isolierten Tinnitus positive Therapieeffekte insgesamt eher fraglich.

Kommt eine HBO-Therapie in Betracht, so wird gemäß den Empfehlungen der GTÜM mit dem sog. Hörsturzschema (TS 250/70) behandelt, also bei einem Therapiedruck von 2,5 bar abs (25o kPa). über insgesamt 95 Minuten, davon 70 Minuten Sauerstoffatmung. Die Behandlung umfaßt 10 bis maximal 15 Therapiesitzungen.

7.1.2
Otitis externe maligna

Die Otitis externa maligna [121 oder nekrotisierende Otitis externa [18] stellt eine Sonderform der Gehörgangsentzündungen dar. Sie ist die häufigste Form der Osteomyelitis der lateralen Schädelbasis, wenn auch als Erkrankung eher selten.
Es handelt sich um eine Pseudomonas aeruginosa-verursachte, fast ausschließlich bei älteren Diabetikern auftretende Infektion. Pseudomonas aeruginosa befällt als Opportunist vorwiegend Menschen mit lokal oder allgemein geschwächter Infektionsabwehr. Wichtige Virulenzfaktoren sind eine Reihe extrazellulärer Produkte mit Enzym- und/oder Toxincharakter. Proteasen und Haeniolysine sind an der Zerstörung des befallenen Gewebes beteiligt und erleichtern so die Invasion und Penetration des Erregers [55, 75]
Die Auspräguing der diabetischen Angiopathie und das Ausmaß der gestörten Mikrozirkulation sind offensichtlich wesentliche Faktoren für den Krankheitsverlauf. Hinzu kommen die relativ schlechte Durchblutung und die periostartige Auskleidung des mittleren und inneren Gehörgangsdrittels. Die Entzündung kann sich entlang der Schädelbasis bis zum Foramen jugulare ausbreiten, selten wird ein Übergreifen auf Klivus, Os occipitale und sogar auf die Gegenseite beobachtet. Die Prognose der Otitis externa maligna war mit einer hohen Letalität belastet, die mit 10-20% beziffert wurde. Die Rezidivhäufigkeit beträgt 9-27%. Bei intrakraniellen Komplikationen (Stadium III) wird die Letalität mit 100% angegeben.

Bei der Therapie dieser prinzipiell lebensgefährlichen Erkrankung sollte die antibiotische Behandlung an erster Stelle stehen, wobei es mittlerweile durch Einführung neuer Pseudomonas-wirksamer Antibiotika (Azlocillin, moderne Gyrasehemmer wie Ciprofloxacin) zu einer verbesserten Prognose gekommen ist [55]. Fortgeschrittene Fälle mit manifestem Knochenbefall, z. B. im Rahmen einer Osteomyelitis des Felsenbeines, bei denen ein operativer Eingriff nötig ist [79], sehen wir heute kaum noch.

In wenigen Arbeiten wird auf die hyperbare Oxigenation als sinnvolle Zusatztherapie zur antibiotischen Behandlung verwiesen, die vor allem in therapierefraktären Fällen als ultima ratio eingesetzt werden kann [13, 55, 57, 75, 82, 86]. Die Therapierationale liegt in den weiter oben beschriebenen spezifischen Effekten der Therapie begründet. Unter einer ad,juvanten HBO-Therapie konnte eine schnelle Eliminierung der kausalen Pseudornonasbakterien nachgewiesen werden, wobei der Effekt am ehesten indirekt durch eine Stimulierung der Phagozytose und weniger durch eine direkte Bakterizidie erreicht wird, obwohl Pseudomonas empfindlich auf erhöhte Sauerstoffwerte reagiert (s. oben). Ebenso wurden eine positive Beeinflussung der Schmerzsymptomatik und eine Regeneration von Hirnnervenstörungen nachgewiesen.
Obwohl die vorhandenen Studien retrospektiv und mit geringen Fallzahlen durchgeführt wurden, scheint es doch trotz kompliziertem und therapierefraktärem Verlauf u. U. zu einer Verminderung der vitalen Bedrohung von Patienten in fortgeschrittenen Krankheitsstadien durch den adjuvanten Einsatz von HBO zu kommen. Auch eigene positive Erfahrungen mit zwei solchen Patienten weisen in diese Richtung.

Die HBO-Therapie ist somit zwar nicht die Therapie der ersten Wahl bei der Otitis externa rnaligna, sollte aber bei entsprechenden Verläufen als Bestandteil des Therapiekonzeptes erwogen werden, wenn die logistische Möglichkeit zur Therapiedurchführung besteht.

Die Deutsche Gesellschaft für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie hat aus diesem Grunde die hyperbare Sauerstofftherapie in ihren Leitlinien unter den konservativen Therapiemaßnahmen bei "Otitis externa necroticans (,maligna')" aufgeführt [23].

Kommt es zur Durchführung der HBO-Tehrapie, so wird diese nach dem sog. Problemwundenschema (TS240/00) durchgeführt. Der Therapiedruck beträgt dabei 2,4 bar abs (240 kPa) bei einer Gesamtdauer von 135 Minuten mit einer Sauerstoffzeit von insgesamt 90 Minuten. Es muß jedoch bei der Therapie davon ausgegangen werden, daß der Effekt der HBO kaum vor der zwanzigsten Behandlung deutlich wird [57] und daß die insgesamt notwendige Zahl an Therapiesitzungen noch deutlich höher sein kann.

7.1.3
Radionekrosen und chronisch persistierende Wundheilungsstörungen

Im Bereich der operativen HNO-Heilkunde nimmt die Tumorchirurgie einen großen Bereich ein. Doch neben der chirurgischen Versorgung der Patienten sind häufig noch weitere Maßnahmen wie Chemotherapie und Radiatio notwendig. Insbesondere letztere führt jedoch bei einer gewissen Zahl von Patienten zu spezifischen radiogenen Nebenwirkungen, die nach einiger Latenz zu ernsten Problemen bei der Wundversorgung führen können. In einigen Fällen sind solche Radionekrosen durch plastisch-chirurgische Maßnahmen zu versorgen, in manchen Fällen führen sie aber zu persistierenden Weichteildefekten. In diesen Fällen kann ein Versuch der begleitenden Therapie mit hyperbarem Sauerstoff eine sinnvolle Therapieergänzung sein [3o, 66]. Zum besseren Verständnis dieses Therapieansatzes zunächst eine kurze Zusammenfassung der Pathophysiologie von Radionekrosen [58, 81 ]:
Nebenwirkungen der Strahlentherapie auf Normalgewebe treten grundsätzlich nur im durchstrahlten Gewebe auf. Die so induzierten Nebenwirkung lassen sich in frühe und späte Effekte unterscheiden.
Zu den frühen Nebenwirkungen rechnet man z. B. Hautreaktionen, Schluckbeschwerden, Durchfälle usw. Diese treten in der Regel zwei bis vier Woch nach Therapiebeginn, also noch während der Strahlentherapie, auf und lassen so noch gewisse Steuerungen durch Änderung des Therapiekonzeptes zu.
Im Gegensatz dazu verlaufen chronische Nebenwirkungen unaufhaltsam progredient bis zu einem nicht vorab bestimmbaren Endpunkt ab und gelten im allgemeinen als irreversibel. Die Latenzzeit bis zum Auftreten einer Gewebsreaktion wird im wesentlichen durch die Zellzykluszeiten der bestrahlten Gewebe bestimmt.
Veränderungen, die mehr als 90 Tage nach Beginn der Radiotherapie auftreten, werden per definitionem als "späte Nebenwirkungen" bezeichnet. Die Übergänge sind jedoch fließend und der definierte Zeitpunkt 90 Tage trägt dem Problem nur unzureichend Rechnung. Den späten Nebenwirkungen liegen physiologisch grundsätzlich Gewebsnekrosen mit bindegewebigem bzw. narbigem Umbau von Organen/Organteilen zugrunde. Diese können bis zu Jahren nach Abschluß der Strahlenbehandlung eintreten. Diesem Effekt liegt wahrscheinlich neben der direkten radiogenen Schädigung der Zellen eine grundlegende Störung der Gefäßversorgung der betroffenen Gewebe zugrunde. Als pathogenetische Ursache werden Intimaläsionen und Mikrothrombenbildungen in bestrahlten Gefäßen durch Veränderungen der Endothelzellen in Kapillaren angesehen. Der Gefäßschaden ist charakterisiert durch degenerative Veränderungen, die zu Endarteriitis und arteriolokapillärer Fibrose führen.
Aufgrund der durchschnittlichen Zellzykluszeiten normaler Endothelien, die in einem weiten zeitlichen Bereich variieren, wird die Annahme unterstützt, daß Gewebs- und Organveränderungen, die nach großer Latenzzeit auftreten, durch Schädigungen der Endothelzellen verstärkt werden. Zellen werden so durch chronische Sauerstoffunterversorgung in ihrer Stoffwechselaktivität gestört, so daß sie in der Folge nekrotisch werden können. Fortschreitende Verödung des Gefäßsystems führt also irreversibel zu Hypoperfusion und chronischer Gewebshypoxie. Veränderungen der Endothelien nach Bestrahlung sind somit ein wichtiger, wenn auch nicht der einzige Pathomechanismus für das Entstehen später Gewebs- und Organveränderungen.

Dem generellen Pathomechanismus liegt also zugrunde, daß durch Funktionsstörung der afferenten Gefäße ein direkter Parenchymschaden verstärkt wird. Es resultiert eine allmähliche Gewebsinvolution mit Hypoplasie, Atrophie und Ersatzfibrose, die zur Entwicklung eines hypovaskulären, hypozellulären und hypoxischen Gewebes führt. Dieses so geschädigte Gewebe hat eine geringere Regenerationsfähigkeit und kann nicht spontan revaskularisieren. Im Laufe der Zeit tritt eine Resistenzminderung für z. B. Infektion oder Trauma ein. In Abhängigkeit von der Lokalisation der betroffenen Normalgewebe kann es zu unterschiedlichen klinischen Symptomen kommen, karzinomatöse Entartungen des vorbestrahlten Bereiches sind ebenfalls möglich.


Die grundlegenden Effekte von hyperbarem Sauerstoff auf die Wundheilung wurden bereits weiter oben eingehender und mit den entsprechenden Quellenhinweisen angesprochen. Wesentlicher Mechanismus der Therapie bei diesem Krankheitsbild scheint zudem die Induktion der ebenfalls oben angesprochenen Angioneogenese zu sein. Um die Kapillardichte im Gewebe zu erhöhen, ist ein steiler Sauerstoffgradient nötig, da die Angioneogenese diesem Gradienten folgt. Obwohl einige Angioneogenesefaktoren besonders durch niedrige Sauerstoffspannung getriggert werden, findet zudem, wie beschrieben, die stärkste Proliferation in hyperoxischen Randbereichen statt. Wird also das Sauerstoffangebot erhöht und über diesen Mechanismus eine Gewebsmatrix geschaffen, kann auch die Kapillardichte zunehmen, was eine dauerhafte Verbesserung der Gewebeoxygenierung zur Folge hat. Tatsächlich wurde z.B. im Tiermodell in vorbestrahlten Geweben nach einer HBO-Behandlung eine 8- bis 9fach höhere Kapillardichte nachgewiesen als bei nichtbehandelten Kontrolltieren [59].

Obwohl also aufgrund der vorliegenden Pathomechanismen und spezifischen Effekte eine positive Beeinflussung solcher radiogener Wundheilungsstörungen sehr wahrscheinlich ist [3o, 66], fehlt es auch in diesem Bereich noch an kontrollierten klinischen Studien. Dennoch sollte in solchen Fällen an eine adjuvante HBO-Therapie gedacht werden, in denen anderweitige Therapieoptionen nicht oder nicht mehr zur Verfügung stehen und es logistisch die Möglichkeit zur Therapiedurchführung gibt. Dies betrifft im übrigen nicht nur radiogen verursachte Weichteildefekte, sondern im HNO-ärztlichen Patientengut besonders auch Patienten mit Radionekrosen des Knochens und/ oder des Knorpels [54].
Einen Sonderfall der oben beschriebenen Indikation stellen die osteointegrierten Implantate in vorbestrahlten Gebieten dar. Diese dienen der Verankerung von Prothesen und Epithesen. Bei Vorbestrahlung ist die Osteointegration gefährdet. Durch HBO soll die Osteointegration verbessert und bestrahlten Tumorpatienten eine optimale Rehabilitation ermöglicht werden. Da die Prognose von Fixateuren in bestrahltem Knochen nach Granström nicht mit einer grenzwertigen Strahlendosis korreliert, ist die HBO nach Ansicht vor allem schwedischer Autoren, aber zunehmend auch anderer [l9, 20,89] als prophylaktische Maßnahme bei jedem Patienten nach Tumorbehandlung im Kopf- und Halsbereich indiziert, wenn in der subakuten bis späten Phase nach adäquater Radiatio osteointegrierte Fixateure implantiert werden sollen.
Die Verlustrate osteointegrierter Implantate in vorbestrahltem Gewebe differiert erheblich in den Angaben unterschiedlicher MKG-Chirurgen. Sie beträgt in Abhängigkeit von der Dauer der Nachuntersuchungsperiode über 50 %, wobei extraorale Implantate die höchste Versagerquote aufweisen. Vergleichsweise werden die Implantatverluste in unbestrahltem Gewebe nach 14jähriger Verlaufsbeobachtung mit 13,5 % beziffert [ 27].


Durch prophylaktische HBO soll der Einfluß der Vorbestrahlung auf die Verlustrate osteointegrierter Implantate praktisch aufgehoben werden können.

Die perioperative HBO fördert die Knochenbildung an der Grenzfläche des Implantates zum Knochen [38] und verbessert die Mikrozirkulation der entsprechenden Region. Das führt zu einer verbesserten Festigkeit von Implantaten [26] und gleichzeitig zu einem verbesserten Zustand des Weichteilbettes. Somit wird durch adjunktive Anwendung hyperbaren Sauerstoffs sowohl die Haltbarkeit von Befestigungen gesteigert, als auch möglichen Wundheilungsstörungen und Komplikationen wie Osteoradionekrose entgegen gewirkt [25 - 27]. Entsprechend ergaben die Nachuntersuchungen von Ganström et al., daß Implantatverluste in der HBO-Gruppe während der ersten 6 Jahre nicht beobachtet wurden und die Implantat-Verlustrate während des gesamten Beobachtungszeitraums von inzwischen 14 Jahren sogar konstant niedriger als in der Kontrollgruppe ohne Radiatio war.

Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe um Granström haben dazu geführt, daß sich bei der Notwendigkeit einer Implantation osteointegrierter Implantate in ein vorbestrahltes Gebiet ein geplantes Vorgehen etabliert hat, welches einem Vorschlag von Marx folgt und präoperativ 20 Therapiesitzungen HBO nach dem Problemwunden-Schema vorsieht sowie unmittelbar postoperativ weitere 10 Therapiesitzungen empfiehlt [19, 20].

7.1.4
Plastisch-chirurgische Eingriffe

In den meisten Fällen werden Lappenplastiken und Transplantate in nicht vorgeschädigten Arealen durchgeführt. Es besteht daher keine Indikation für eine begleitende, quasi prophylaktische HBO-Therapie. Dort, wo diffuse Perfusionsstörungen mit kritischen Hypoxien im Transplantat vorliegen, kann jedoch versucht werden, das Transplantat mit Hilfe von HBO zu halten [41]. Dies gilt vor allem abermals für die plastische Deckung von Defekten in vorbestrahlten Arealen, wo eine Wundkonditionierung mit präoperativen Therapiesitzungen in Analogie zum Vorgehen bei den oben erwähnten osteointegrierten Implantaten das lokale Milieu und somit die Grundbedingungen für das Transplantat verbessern helfen kann. Die therapeutischen Effekte beruhen auf den beschriebenen Mechanismen der Gewebsoxigenierung in minderperfundierten Arealen und einem ausgeprägt antiödematösen Effekt.

Es ist jedoch zu erwähnen, daß dort, wo als hauptsächlich kompromittierende Komponente ein vorwiegend venöser Stau im Transplantat vorliegt, neben einer adjuvanten Therapie mit hyperbarem Sauerstoff weitere entlastende Maßnahmen (z. B. Blutegel) erforderlich sind.


7.1.5
Dekompressionsunfall bei Tauchern mit Innenohrbeteiligung

Die Dekompressionserkrankung (früher Caisson-Krankheit genannt) kann insbesondere bei Tauchern mit Preßluft-Tauchgeräten, aber auch im Zusammenhang mit Arbeiten unter Überdruck (Druckkammer-Personal, Arbeiter in UBahn- oder Tunnelbaustellen) auftreten.

Unter Überdruckbedingungen kommt es zu einer Aufsättigung der Körpergewebe mit physiologisch inerten Gasen (bei Verwendung von Luft als Atemgas Stickstoff, bei künstlichen Gasgemischen im Bereich des Tauchens z.B. auch Helium). Erfolgt die Druckreduktion (Auftauchen, Ausschleusung) zu schnell, kommt es durch das unter Überdruck in den Körpergeweben vermehrt gelöste Inertgas zur Bildung von Gasblasen. Durch diese Blasenbildung in Blut und Gewebe (und somit in Sonderfällen auch im Innenohr) werden hypoxie- und druckbedingte Gewebsschäden verursacht [62].

HBO ist die einzige kausal angreifende Therapie und daher die primäre Behandlungsmethode bei dekompressionsbedingten Beschwerden. Sie ist als spezifische Therapie bei diesem Pathomechanismus einzig in der Lage, eine Verbesserung der Symptomatik herbeizuführen und die Entwicklung von Dauerschäden, auch solcher neurologischer Art, zu verhindern oder zumindest vermindern [64].

Die Wirkprinzipien dieser Therapie bei diesem Pathomechanismus sind:

· Die Gasblasen werden in ihrem Volumen und damit in ihrem Durchmesser verkleinert, die intravasalen Blasen dadurch weiter in die Peripherie des Gefäßsystemes ausgeschwemmt und somit die Ausdehnung des infarzierten Gebietes geringer gehalten.
· Die Gase in den Gasblasen werden wieder in den Zustand der physikalischen Lösung gezwungen und anschließend durch langsame, stufenweise Dekompression über die Atemwege aus dem Organismus eliminiert.
· Der Anteil an Inertgas in diesen Gasblasen wird durch die Atmung von reinem Sauerstoff unter Überdruck aus den Gasblasen "ausgewaschen" und die Gaselimination beschleunigt.
· Durch hyperbare Oxigenation wird eine bessere, den Bedürfnissen entsprechende Sauerstoffversorgung der hypoxischen Gewebe sichergestellt.

Auch bei verzögerter Diagnosestellung sollte ein Patient mit Verdacht auf entsprechende Pathomechanismen einer Rekompressions- und hyperbaren Oxigenationstherapie zugeführt werden, da eine Spätbehandlung auch trotz eines therapiefreien Intervalls von einigen Stunden oder sogar Tagen noch überraschend gute Ergebnisse bis hin zur völligen Wiederherstellung mit sich bringen
kann [42].
Bei der Entscheidung zur Therapie gibt es jedoch differentialdiagnostisch zu bedenken, daß es weitere Mechanismen gibt, die mit ähnlicher Symptomatik einhergehen (Tabelle 3). Im Bereich des Tauchens kann dies z. B. das Barotrauma des Innenohres mit Ruptur der Membrane des runden oder ovalen Fensters sein, oder auch ein unabhängig vom Tauchen aber dennoch koinzident aufgetretener Hörsturz.



Bei Verdacht auf Innenohrbarotrauma gilt zumindest im akuten Stadium die Druckkammerbehandlung als kontraindiziert [5], weil es durch wiederholt notwendige Valsalva-Manöver zum Druckausgleich zu einer Beschwerdeprogredienz kommen kann.


8
Nebenwirkungen und Risiken der HBO-Therapie

Kritiker der Therapie mit hyperbarem Sauerstoff sehen in der Behandlung mitunter ein unkalkulierbares Risiko gegenüber dem Patienten und werten die Therapie daher als potentiell gefährlich. Diese Ansicht ist so nicht gerechtfertigt und ihr wird sogar in ansonsten eher sehr kritischen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) widersprochen. Bei Mayer [6o] heißt es z. B.: "HBO erfordert einen bestausgestatteten apparativen, personellen und logistischen Rahmen, ist unter der Beachtung der Sicherheitsstandards aber weitestgehend kalkulierbar". Zu ähnlichen Schlußfolgerungen kommen Autoren zweier Beiträge im British Medical journal (Leich et al. 1998, Trytko et al. 1999 und auch Heiden und Plafki [31]).
Die Sicherheitsstandards, die es dabei zu beachten gibt, sind u. a. in den Qualitätsstandards zur Durchführung der hyperbaren Sauerstofftherapie fixiert und von der deutschen Fachgesellschaft GTÜM publiziert [29].
Zu den Sicherheitsstandards gehört auch die eingehende Voruntersuchung, bei der nach Hinweisen auf ein erhöhtes Risiko bei Druckexposition gesucht wird und die einer Behandlung im Überdruck zwingend vorangehen muß.
Einen Überblick über die geforderten Maßnahmen der Voruntersuchung und der wichtigsten Kontraindikationen geben die Tabellen 4 und 5.
Die Nebenwirkungen der HBO-Therapie lassen sich schematisch in 3 Gruppen untergliedern:

- psychisch bedingte Komplikationen (durch Aufenthalt im abgeschlossenen Raum),
- druckbedingte Nebenwirkungen,
- sauerstofftoxische Nebenwirkungen.

In einer Literaturübersicht von 1998 haben Heiden und Plafki [31] die Erkenntnisse zu den potentiellen Nebenwirkungen zusammengefaßt. Demnach ist bei ca. 19% der Patienten mit leichteren Druckausgleichsproblemen zu rechnen, die jedoch mit keiner dauernden gesundheitlichen Beeinträchtigung einhergehen.
Nur bei ca. 3 % der Patienten kommt es zu einem klinisch faßbaren Barotrauma des Ohres und nur bei 1,4% ist die Anlage einer Paukendrainage zur Therapiedurchführung notwendig. Ein potentiell lebensbedrohliches Barotrauma der Lunge ist hingegen statistisch nicht erfaßbar, hier gibt es nur anekdotische Berichte. Toxische Effekte durch Sauerstoff kommen ebenfalls in den in dieser Arbeit zitierten Studien nicht vor. Die Autoren vermuten den Grund in den strengen Therapierichtlinien und entsprechenden Vorsorge- und Zwischenuntersuchungen. Die Inzidenz von sauerstofftoxischen Wirkungen auf das ZNS wird hingegen mit 1 - 1,7: 10000 angegeben und ist somit ebenfalls eher ein seltenes Ereignis.

Die Inzidenz klaustrophober Reaktionen liegt der Literatur entsprechend bei ca. 4%, wobei nur bei ca.
l% eine Therapiedurchführung aufgrund von klaustrophoben Reaktionen nicht möglich ist.

Tabelle 4. Empfohlene Voruntersuchung vor Beginn einer HBO-Therapie (nach GTÜM)

Obligatorische Maßnahmen Fakultative Maßnahmen

Anamnese und körperliche Untersuchung Ohrmikroskopie

Röntgen Thorax nicht älter als 2 Jahre Tympanometrie
Ruhe-EKG Belastungs-EKG (z.B. bei
Rhythmusstörungen)

Lungenfunktionsprüfung Pneumologische Abklärung
(VC, FEV1, FEV1/VC) (z. B. Bodyplethysmographie)

Otoskopie, Prüfung der Tubendurch- Neurologische Abklärung (z. B. EEG bei
gängigkeit Krampfanamnese oder Zustand nach SHT)



Tabelle 5. Wichtige Kontraindiktationen gegen eine adjuvante HBO-Therapie

Relevante pulmonale Probleme (anamnestisch Zustand nach Spontanpneumothorax, obstruktive Atemwegserkrankungen)

Psychiatrische/neurologische Probleme (Psychosen, nicht beherrschbare Klautrophobie, manifestes Krampfleiden)

Höhergradige kardiale Probleme (Tachyarrhythmien, ausgeprägte, nicht Schrittmacherbehandelte Bradyarrhythmien)

Optikusneuritis

Nicht eingestellte Hyperthyreose

Probleme im Bereich der Ohren und der NNH mit mangelnder Fähigkeit zum Druckausgleich

Akute fieberhafte Erkrankungen

Bei lebensbedrohlichen Erkrankungen (Gasbrand, Atemgasembolie, schwerer Tauchunfall, CN-/CO-Intoxikation) bestehen nach sorgfältigem Abwägen des therapeutischen Nutzens gegen eine potentielle Schädigung durch die Therapie keine Kontraindikationen!

Okuläre Nebenwirkung im Sinne einer Myopisierung sind bei prolongierter Anwendung nicht selten, jedoch stets innerhalb von Tagen bis Wochen reversibel. Berichte über eine Zunahme eines vorbestehenden Kataraktes sind nur nach extrem prolongierten Behandlungen (> 150 Therapiesitzungen) beobachtet worden, waren dann allerdings irreversibel.
Die wichtigsten Nebenwirkungen der HBO-Therapie werden in den folgenden Abschnitten dargestellt.

8.1
Psychisch bedingte Komplikationen

Bedingt durch die besonderen Umstände dieser Therapieform können bei dafür prädisponierten Patienten klaustrophobe Sensationen ausgelöst werden. Durch Zuwendung und gute Patientenführung sind diese Erscheinungen jedoch fast immer beherrschbar. In solchen Fällen, in denen dies nicht möglich ist, besteht grundsätzlich immer die Möglichkeit, Betroffene während der Therapie über eine der eigentlichen Therapiekammer vorgeschaltete Sektion begleitet auszuschleusen.

Mitunter kommt es zu Symptomen der Hyperventilation, da Patienten in Unkenntnis der physiologischen Zusammenhänge dazu neigen, durch besonders forciertes Atmen den Therapieerfolg verbessern zu wollen.

8.2
Nebenwirkungen durch Erhöhung des Umgebungsdrucks

Wie bereits weiter oben beschrieben, wirkt sich eine Druckerhöhung auf alle nicht starrwandig umschlossenen, gasgefüllten Hohlräume dergestalt aus, daß es zu einer Kompression der Gase in diesem Hohlraum und zur Ausbildung eines relativen Unterdrucks kommt. Besonders betroffen sind hierbei die luftgefüllten Hohlräume des Schädels. Wird der entstehende relative Unterdruck in diesen Hohlräumen nicht ausgeglichen, kann es zur Schädigung, zum Barotrauma, kommen.

8.2.1
Barotrauma des Ohres

Dies ist ein häufiges Problem bei HBO-Patienten und ungeübten Therapeuten, weil diese den nötigen Druckausgleich nicht selbstverständlich durchführen. Häufig wird der Patient erst durch den Dehnungsschmerz des Trommelfells an die Notwendigkeit der Durchführung erinnert. Der inzwischen entstandene Unterdruck in der Paukenhöhle führt zur Schleimhautschwellung in der Tuba Eustachii und damit weiterer Erschwernis für den Druckausgleich. Die Folge ist eine mehr oder minder starke Läsion des Trommelfells, ggf. mit Ruptur, Exsudation in die Paukenhöhle und blutigem Paukenhöhlenerguß.
Diese Nebenwirkung ist jedoch vermeidbar, wenn vor Druckexposition Tubenfunktionsstörungen ausgeschlossen werden und bei den ersten Anzeichen von Druckausgleichsproblemen die weitere Kompression unterbrochen wird.

Bei nur leichten Tubenfunktionsstörungen können abschwellende Nasentropfen die Kompression ermöglichen, bei beständigen Problemen, aber guter Indikation zur Durchführung der Therapie, ist unter Abwägung aller vor und Nachteile für den Betroffenen u.U. eine geplante Parazentese des Trommelfells durchzuführen, ggf. mit Einlage von Tympanotuben. Bei Patienten mit akuten Funktionsstörungen des Innenohres ist die Indikation zur Parazentese mit dem alleinigen Grund der Durchführbarkeit einer HBO-Therapie aber extrem zurückhaltend zu stellen. Unüberwindbare Druckausgleichsprobleme bei diesen Patienten stellen eher eine Kontraindikation dar.

8.2.2
Barotrauma der Nasennebenhöhlen
Schleimhautschwellungen im Bereich der Nasennebenhöhlen können ebenfalls zu Problemen bei der HBO-Therapie führen, treten hier jedoch vergleichsweise selten auf. Bei entsprechender Beschwerdesymptomatik kann mit Hilfe von Sekretolytika und abschwellenden Nasentropfen mitunter eine Therapiedurchführung ermöglicht werden, bei Beschwerdepersistenz besteht aber eine temporäre Kontraindikation.

8.2.3
Barotrauma der Lunge

Bei Patienten mit obstruktiven Erkrankungen der Lunge und eingeschränkter Lungenfunktion und bei kompletter oder auch partieller Verlegung der Atemwege kann es während der Dekompression, also bei fallendem Umgebungsdruck, zu einer Überblähung der Lunge mit Lungenriß kommen. Ursache hierfür ist die durch das Gesetz von Boyle und Mariotte (s. oben) begründete Ausdehnung des Gases in der Lunge während der Dekompression. Eine solcherart vorbestehende Erkrankung gilt daher für nicht lebensrettende HBO-Therapien als Kontraindikation.

Entsprechend ist diese Komplikation statistisch auch nicht fassbar, sondern es gibt nur anekdotische Fallbeschreibungen, zumeist bei intubierten und beatmeten Patienten.

8.3
Komplikationen durch Sauerstoff

Daß Sauerstoff in höherer Dosierung unerwünschte Nebenwirkungen haben kann, ist u. a. aus Anästhesie und Intensivmedizin gut bekannt. Es stehen hier jedoch in der Regel die Auswirkungen auf die Lunge im Vordergrund. Weniger bekannt ist die sauerstofftoxische Wirkung auf das ZNS, die bei Sauerstoffpartialdruckwerten über 1,8 bar (1350 mm Hg) zunehmend an Bedeutung gewinnt.

8.3.1
Sauerstoffintoxikation im ZNS (Paul-Bert-Effekt)

Die ersten Resultate über die Auswirkung von extrem hohen Sauerstoffpartialdrücken auf das ZNS wurden bereits 1878 von Paul Bert veröffentlicht. Zu den Symptomen einer Sauerstoffintoxikation des ZNS zählen u.a.:
· Nausea,
· Benommenheit, Schwindel,
· Parästhesien, Zuckungen,
· generalisierter Krampfanfall (ohne Prodromi).

Neben den grundsätzlichen Faktoren wie Sauerstoffpartialdruck und Expositionszeit können weitere individuelle Faktoren das Auftreten einer ZNS-Symptomatik begünstigen.

Hier sind besonders Hypoglykämie, Alkoholismus, Fieber und Hyperkapnie als Triggerfaktoren zu nennen.


Da die Expositionszeit eine gewisse Rolle spielt, haben sich in der praktischen Therapiedurchführung Sauerstoffpausen etabliert [29]. Die Sauerstoffatmung wird dabei nach jeweils 30 Minuten für 10 Minuten unterbrochen, was dem Entstehen sauerstoffbedingter Nebenwirkungen entgegenwirkt.
Sauerstoffintoxikationen während einer hyperbaren Therapie sind selten und werden mit einer Inzidenz von 0,01% angegeben [31, 94, 97]. Die Auftretenswahrscheinlichkeit einer sauerstoffinduzierten Nebenwirkung auf das ZNS ist ab einem Sauerstoffpartialdruck von 1,8 bar (1368 mmhg) zwar grundsätzlich erhöht, Spätschäden nach sauerstoffinduziertem Krampfanfall sind jedoch nicht bekannt.


8.3.2
Sauerstoffintoxikation der Lunge (Lorrain-Smith-Effekt)

Der Sauerstoffpartialdruck im Gewebe ist von allen Geweben in der Lunge am höchsten, die Lunge ist damit das Organ mit der höchsten Vulnerabilität für die Sauerstofftoxizität.
Schädigende Wirkungen von Sauerstoff auf die Lunge sind bereits seit fast 100 Jahren bekannt und nach dem Erstbeschreiber Lorrain-Smith-Effekt genannt. Obwohl bei einem Überschreiten eines Sauerstoffpartialdrucks von 0,5 bar (375 mm Hg) längerfristig mit dem Auftreten von pulmonalen Veränderungen gerechnet werden muß, sind die akuten Veränderungen eines pulmonaltoxischen Effekts bei Beendigung der Sauerstoffexposition reversibel. Bei den üblichen Standardtherapien der HBO werden denn toxische Effekte von Sauerstoff auf die Lunge mit dauerhaften Funktionsänderungen nicht beobachtet [94].
Bei extremen Behandlungen, also entweder eine sehr große Zahl an Behandlungen bei einem einzelnen Patienten oder auch die sehr aggressive Behandlung bei nekrotisierenden Weichteilinfektionen, sind akute Veränderungen nicht ausgeschlossen, aber bei Ende der Therapie komplett rückläufig. Um aber bei diesen Patienten die noch reversible Phase etwaiger negativer Effekte auf die Lunge nicht zu verpassen, sind in diesen Fällen wiederholte Lungenfunktionsprüfungen notwendig.


8.3.3
Brandgefahr

Neben den bisher aufgeführten Nebenwirkungen wird häufig auch auf eine gewisse Gefährdung der Patienten durch eine erhöhte Brandgefahr hingewiesen.
In geschlossenen Räumen, wie z. B. Druckkammern, besteht bei erhöhten Sauerstoffkonzentrationen (= verbrennungsfördernde Atmosphäre) grundsätzlich tatsächlich ein erhöhtes Risiko einer Brandentstehung. Dieses Risiko besteht im Besonderen dann, wenn die Druckkammer mit 100 % Sauerstoff gefüllt wird.

Dies ist jedoch bei den in Deutschland üblichen Mehrpersonen-Druckkammern nicht der Fall, da zur Kammerfüllung Luft verwendet wird und der Sauerstoff nur über dichtsitzende, Mund und Nase umschließende Atemmasken oder über dichtabschließende sog. Kopfzelte geatmet wird. Der ausgeatmete Sauerstoff gelangt ebenfalls nicht in die Kammeratmosphäre, sondern wird über eine Absauganlage (overboard dumping system) entfernt. Zusätzlich wird der Sauerstoffgehalt der Kammeratmosphäre ständig überwacht, die Sauerstoffzufuhr bei Überschreiten von 23 Vol.-% Sauerstoff in der Druckkammer automatisch abgeschaltet, und statt dessen auf die Atmung von Druckluft umgeschaltet. Ergänzt werden diese Maßnahmen durch Feuerlöschvorrichtungen in der Druckkammer. Entsprechende Vorschriften sind in Deutschland verbindlich. Ihre Einhaltung wird in der jährlich durchgeführten sicherheitstechnischen Überprüfung der Druckkammeranlage gemäß MedGV überprüft.

Hinsichtlich der Brandgefahr unterscheiden sich luftgefüllte Mehrpersonen-Druckkammern daher deutlich von sauerstoffgefüllten Monoplatzkammern. Bis heute wurden keine Brände in deutschen Druckkammern beobachtet. Weltweit wurden zudem in den letzten Jahrzehnten keine Brände mit Personenschäden in therapeutischen Druckkammern registriert, deren Atmosphäre 23% Sauerstoff nicht überschritt [85].


9
Fazit

Die Therapie mit Sauerstoff im Überdruck findet weltweit klinische Anwendung und das außerhalb Deutschlands auch häufig an Universitäten und renommierten Instituten. Dennoch ist sie noch immer durchaus umstritten, da es trotz eindeutig nachgewiesener physiologischer Effekte in vielen Bereichen an aussagekräftigen klinischen Studien fehlt, was nicht zuletzt aufgrund der oben genannten Schwierigkeiten bei der Durchführung placebokontrollierter Doppelblindstudien zurückzuführen ist.

Das in Deutschland mit dieser Therapieform weit überwiegend behandelte Patientientengut besteht in erster Linie aus Patienten mit Funktionsstörungen des Innenohres und somit aus Patienten des HNO-ärztlichen Fachgebietes. Während hier Einigkeit darüber besteht, daß Patienten mit chronischen Funktionsstörungen keine Indikation zur Therapiedurchführung haben, ist der Stellenwert der HBO-Therapie bei der Behandlung in der Akutphase nicht mit letzter Sicherheit bestimmt. Bei der Komplexität des Problems und bei letztlich nicht geklärter Pathogenese ist denn auch fraglich, ob eine solche Bestimmung in nächster Zukunft möglich ist.


Aufgrund der vorhandenen Daten ist z. Z. die adjuvante HBO-Therapie beim akuten Knall- und Lärmtrauma als sinnvoll anzusehen, beim Hörsturz nach Versagen der konventionellen Therapie im zeitnahen Intervall immerhin noch als mögliche Therapieergänzung.


In Deutschland hingegen weitgehend unbekannt, oder zumindest unbeachtet, sind aber solche Indikationen, in denen aufgrund bekannter Pathomechanismen und guter experimenteller Daten diese Therapie eine sinnvolle Ergänzung konventioneller Therapiestrategien darstellt. Die Indikationen finden sich z.B. im Bereich der operativen HNO-Heilkunde. Hier kann die HBO-Therapie als adjuvante Maßnahme durchaus zu einer Verbesserung des Therapiekonzeptes in schwierigen Fällen beitragen. Daher sollte bei unvoreingenommener Betrachtung auch künftig die HBO-Therapie einen gewissen Stellenwert bei HNO-ärztlichen Patienten haben und bei entsprechender Indikation und geeigneter Logi-
stik in Erwägung gezogen werden.
Die Therapie mit hyperbarem Sauerstoff ist also weder eine alternative Therapieform, noch eine Therapiealternative und erst recht kein "Wunder- oder Allheilmittel", sondern bei sorgfältiger Indikationsstellung und kritischer Anwendung bei bestimmten Indikationen ein durchaus potentes und nützliches Adjuvans und damit eine sinnvolle Ergänzung des Therapiekonzepts.
Bei sorgfältiger Therapiedurchführung und Beachtung der Kontraindikationen sowie der spezifischen Besonderheiten ist die Therapie mit hyperbarem Sauerstoff in der Hand des Geübten zudem ein Therapieverfahren, welches arm an Komplikationen und spezifischen Nebenwirkungen ist.

Danksagung. Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Kollegen Herrn Dr. med. Christian Heiden, Traunstein, und Herrn Dr. med. Michael Almeling, Göttingen, für die mir gewährte Unterstützung bedanken, Herrn Kollegen Heiden für die großzügige Oberlassung von Material zur Indikation der akuten Funktionsstörungen des Innenohres, Herrn Kollegen Almeling für die freundliche Erlaubnis zur Nutzung der Grafik über das Sauerstoffverhalten der Cochlea unter hyperbaren Verhältnissen.


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Artikel aus MMW-Fortschr.Med. Nr. 21/2002 (144. Jg.):

“Hyperbare Sauerstofftherapie - Heilen Strahlenulzera im Überdruck?

Mit der hyperbaren Sauerstofftherapie (HBO) soll es möglich sein, strahlenbedingte Schäden an Haut und anderen Organen dauerhaft zu Abheilen zu bringen. MMW fragte nach bei Prof. Irenäus A. Adamietz, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Marienhospital Herne - Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum.

MMW: Was bewirkt die HBO-Therapie in einem Strahlenulkus?
Adamietz: Zum Strahlenulkus kommt es, weil Endothelzellen im bestrahlten Areal geschädigt worden sind. Die Folge ist eine Thrombosierung der kleinen Gefäße, was zu einem schweren Sauerstoffdefizit im Gewebe führt. Die physiologischen Regenerationsprozesse können nicht mehr ablaufen.
In der Überdruckkammer atmet der Patient bei einem Druck von 1,5 bis 3 bar reinen Sauerstoff. Dadurch wird der Sauerstoff nicht nur in den Erythrozyten, sondern auch im Plasma transportiert. Der Sauerstoffgradient im Gewebe steigt dadurch mehrfach, sodaß Sauerstoff wesentlich weiter in das schlecht durchblutete minderversorgte Gewebe diffundieren kann als unter Normalbedingungen. Das Stößt die physiologischen Regenerationsprozesse an: Stoffwechselprodukte, die z. B. für das Ödem verantwortlich sind, werden abgebaut und ausgewaschen, neue Blutgefäße sprossen ein, der Gewebedefekt kann dauerhaft heilen.

MMW: Wirkt die Behandlung auch bei Strahlenschäden an anderen Organen wie Blase oder Darm?
Adamietz: Ja, auch bei strahlenbedingter Zystitis oder Proktitis gibt es sehr gute, wissenschaftlich belegte Erfahrungen.

MMW: Wie lang hält der Effekt an?
Adamietz: Es gibt zwar keine guten katamnestischen Studien hierzu, aber die Erfahrung lehrt, dass eine durch HBO-Therapie angestoßene Regeneration lebenslang hält, wenn nicht andere Probleme dazwischen kommen.

MMW: Wie läuft eine HBO-Therapie ab?
Adamietz: Zur Behandlung von Strahlenschäden sind in der Regel 20 bis 30 einmal täglich stattfindende Sitzungen von etwa eineinhalb Stunden Dauer nötig. Das Netz der Druckkammerzentren in Deutschland ist relativ eng, sodass jeder Patient in seinem Umkreis ambulant behandelt werden kann.

MMW: Welche Patienten sind für die HBO-Therapie geeignet?
Adamietz: Allgemein gilt, dass die Eignung für eine HBO-Therapie dann gegeben ist, wenn Tauchtauglichkeit besteht. Dies wird an den Druckkammerzentren von erfahrenen Ärzten geprüft. Personen mit Platzangst können nicht behandelt werden. Die häufigste Kontraindikationen kommen naturgemäß aus dem Bereich HNO und Lunge. Trotzdem sind auch viele ältere Patienten für eine HBO-Therapie geeignet.

MMW: Was kostet die Therapie und übernehmen die Kassen die Kosten?
Adamietz: Die Kosten liegen bei 150 bis 200 Euro pro Sitzung. Einige Druckkammerzentren bieten auch Spezialpreise an. Die Kosten werden von einigen privaten Kassen übernommen, von den gesetzlichen generell nicht. Das liegt daran, daß die Erfolge der HBO-Therapie bislang nicht ausreichend in guten wissenschaftlichen Studien dokumentiert sind. Das wird sich aber ändern, denn weltweit sind Studien angelaufen.

MMW: Wie hoch sind die Erfolgsquoten bei Strahlenschäden?
Adamietz: Aus Studien zur Strahlenzystitis oder -proktitis sowie aus meiner eigenen Erfahrung läßt sich als Faustregel ableiten, dass etwa 50% der Patienten komplett ansprechen, weitere 30% mit einer partiellen Besserung und 20% nicht.



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Neue Wissenschaftliche Veröffentlichungen finden sie unter: Entrez-PubMed Suchtext ist : hyperbaric oxygenation ear

Wissenschaftliche Abstrakte betreffend unserer Kernkompetenz: Tinnitus, plötzlicher Hörverlust (SSHL), Knalltrauma.


Zuletzt geändert: Do, 3. Jul 2003